Die Weihung des Denkmals der Anna von Alvensleben
Als Kaiser Wilhelm II. im Dezember 1900 zur Jagd nach Neugattersleben kommt, bringt er den für ihn vorbereiteten Empfang durcheinander. Wie immer zu solchen Besuchen waren der Bahnhof, die Straßen und das Schloss festlich geschmückt. Auf der Fahrt vom Bahnhof zum Schloss äußerte der Kaiser den Wunsch auf dem Familienfriedhof derer von Alvensleben einen Strauß Blumen am Grabe der 1897 verstorbenen Schlossherrin Anna von Alvensleben niederzulegen. Diese Route war nicht eingeplant und es war auch nichts zum Empfang des Kaisers vorbereitet. An der Kirche, wo sich die Familiengrabstätte befindet, mußten die Kutscher mit Laternen leuchten, damit etwas gesehen werden konnte. Nach einer kleinen Andacht ging es dann zum Schloss. Hier warteten schon die Gäste des Schlosses und die Einwohner von Hohendorf und Neugattersleben. Durch den Abstecher Wilhelm II. waren diese etwas irritiert. Bei der Ankunft der Kutschen mit der Begleitung des Kaisers wurde der „Fürstengruß“ geblasen und ein Teil des bengalischen Feuerwerks wurde abgebrannt. Als dann Seine Majestät mit dem Gastgeber erschien, war das Feuerwerk fast aufgebraucht und der „Fürstengruß“ musste ein zweites Mal geblasen werden.
Bei diesen Jagdtagen hat Wilhelm II. dem Herrn von Alvensleben seinen Entschluss kundgegeben, der verstorbenen Frau Anna zum Gedächtnis ein Grabdenkmal zu errichten. Während der Rückfahrt von Neugattersleben nach Berlin entwarf der Kaiser selbst die Skizze für die Grabstätte. Die Arbeiten für das Denkmal sollte der Berliner Bildhauer Ludwig Cauer ausführen.
Das Denkmal wurde aus französischen Kalkstein geschaffen. Der Sockel mit der Figur der Verstorbenen wurde in Berlin angefertigt. Für den Baldachin wurde der Kalkstein im März 1902 nach Neugattersleben gebracht. Er wurde an Ort und Stelle verarbeitet, wofür der Platz vor der Erbbegräbnisstätte vergrößert wurde. An der einen Schmalseite des Sockels befindet sich das Wappen Kaiser Wilhelm II. und auf der Anderen das Familienwappen derer von Alvensleben. Auf den Längsseiten befinden sich die Wappen der Freunde und Verwandten, welche auch an den Kaiserjagden teilgenommen haben. Auf dem Sockel liegt eine lebensgroße Figur der Anna von Alvensleben. Der Baldachin ist im gotischen Stil ausgeführt.
Ende Juli 1902 ist der Bildhauer Cauer mit seinen Arbeiten fertig und der Termin für die Einweihung wird auf den 12. August festgelegt. Der Kaiser, welcher von Rußland kommend, traf 17.45 Uhr mit seinem Sonderzug in Neugattersleben ein. Wie immer bei den Kaiserbesuchen war Neugattersleben und diesmal auch die Kirche, festlich geschmückt. Auch waren aus der näheren Umgebung wieder viele Menschen angereist um den Kaiser zu sehen. Nach dem Eintreffen Wilhelm II., begab sich dieser unter begleitender Orgelmusik durch die Kirche zur Erbbegräbnisstätte. Hier übergab der Kaiser dem Werner Alvo von Alvensleben das Denkmal, welches von uniformierten Bergleuten der hiesigen Kohlengrube enthüllt wurde. Der ehemalige Hofprediger Generalsuperintendent Dr. Vieregge aus Magdeburg, der vom Kaiser dazu bestimmt wurde, hielt die Weihpredigt. In dieser Predigt ging Dr. Vieregge auf die Familie von Alvensleben ein und im Besonderen auf das Wirken der Anna von Alvensleben. Er lobte ihre Aufopferung für die Familie und der Gemeindemitgliedern von Hohendorf und Neugattersleben. Anschließend sang ein Chor von über 100 Lehrern aus der Umgebung das „Hebe deine Augen auf zu den Berg“. Der Hofprediger sprach das Vaterunser und segnete das Denkmal.
Nach dieser Zeremonie begab sich der Schlossherr mit dem Kaiser und den anderen geladenen Gästen zum Essen ins Schloss. Bei diesem Essen hielt der Herr von Alvensleben eine Lobesrede auf seine Majestät und die Monarchie. Gegen 19.45 Uhr machte sich die kaiserliche Gesellschaft auf den Weg zum Bahnhof, wo um 20.00 Uhr der Sonderzug über Güsten und Magdeburg zum Truppenübungsplatz Altengrabow abfuhr. Damit endete der letzte Kaiserbesuch in Neugattersleben.
Die Figur der Anna von Alvensleben wurde später, wahrscheinlich Anfang des 2. Weltkrieges, in das Kirchengebäude gebracht. Hier befindet sie sich noch heute und ist in einem sehr guten Erhaltungszustand, wogegen sich der Sockel und der Baldachin in einem desolaten Zustand befinden, der nicht nur auf die Witterungsunbilden zurückzuführen ist.
Neben vielen Auszeichnungen wurde der Kammerherr und Schlosshauptmann Werner Alvo von Alvensleben 1901 von Kaiser Wilhelm II. in den erblichen Grafenstand erhoben. Im Januar 1914 erhielt er dann noch als letzte Auszeichnung das Prädikat „Exzellenz“.
Neben dem Denkmal der Anna von Alvensleben erinnert nur noch der Kaiser-Wilhelms-Turm im Park an die Besuche des Kaisers Wilhelm II.